Dr. Frank Kensy (b.fab GmbH) über Transformate

 

Kombi-Prozessentwicklung zur Herstellung des Biopolymers PHB und der Crotonsäure

Dr. Frank Kensy, b.fab GmbH, CEO & Co-Founder

CO2-WIN Connect: Herr Dr. Kensy, im Projekt „TRANSFORMATE“ arbeiten Sie an einem zweistufigen Prozess zur Herstellung der Biokunststoffe Polyhydroxybuttersäure (PHB) und Crotonsäure. Wofür werden diese zwei Stoffe verwendet und wie werden sie bisher hergestellt? Und was unterscheidet den Prozess in „TRANSFORMATE“ von den bisherigen Herstellungsmethoden?

Dr. Kensy: PHB wird heutzutage größtenteils aus Zucker (Glukose, Saccharose) sei es aus Zuckerrohr/Zuckerrüben oder aus Zellulose hergestellt. Dies ist ein überaus komplexer Prozess und die Zuckerherstellung basiert auf der natürlichen Photosynthese, die einen geringen energetischen Wirkungsgrad hat und dadurch große Agrarflächen bedarf. Die Crotonsäure wird heutzutage über einen mehrstufigen, petrochemischen Prozess mit geringer Effizienz hergestellt. In TRANSFORMATE wollen wir beide Produkte auf eine nachhaltige Rohstoffbasis überführen. Unser Rohstoff ist CO2 und erneuerbare Energie. Diese werden in einem Elektrolyseur zu Ameisensäure umgewandelt, die wir dann in einem Fermentationsprozess mit Bakterien zu PHB oder Crotonsäure umsetzen. PHB ist ein biologisch-abbaubarer Biokunststoff, der gut für Produkte eingesetzt werden kann, bei denen ein stoffliches Recycling nicht 100 % garantiert werden kann und welche unkontrolliert in die Umwelt gelangen können. Crotonsäure wird dahingegen als Bindemittel in Farben und Coatings eingesetzt und kann als Vorläufer für Methylmethacrylat dienen.

CO2-WIN Connect: Die Umsetzung von Kohlenstoffdioxid mit Wasserstoff bietet auch die Möglichkeit, Methanol herzustellen. Dabei besitzt Methanol eine höhere Energiedichte als Ameisensäure. Warum haben Sie sich für Ameisensäure als Kohlenstoff- und Energiequelle entschieden und nicht für Methanol?

Dr. Kensy: Wir haben uns für Ameisensäure entschieden, da der Gesamtprozess mit dem Zwischenprodukt Ameisensäure denkbar einfach ist. Man muss dazu wissen, dass Ameisensäure neben Wasserstoff und Kohlenmonoxid, eines der drei am effizientesten, umsetzbaren Produkte in einem Elektrolyseur ist. Bei allen drei Produkten werden Faraday-Effizienzen von 80-95 % erreicht. Dabei ist Ameisensäure eine Flüssigkeit, die gut speicherbar ist. Methanol dahingegen ist elektrochemisch nicht effizient herstellbar, sondern hauptsächlich thermo-katalytisch. Für die Methanol-Herstellung bedarf es einer komplexen Anlage mit Druckreaktor und Destillation, wo wieder viel Energie verloren geht. Wir halten unseren Kombinationsprozess aus Elektrolyseur und Bioreaktor für die schlankere und effizientere Lösung.

CO2-WIN Connect: Wie steht es um die Selektivität der Ameisensäurebildung? Gibt es Nebenprodukte, die eventuell später aus der Lösung herausgefiltert werden müssen? Oder spielt das eine untergeordnete Rolle, durch den gezielten Einsatz der Bakterien im Anschluss?

Dr. Kensy: Bei der CO2-Reduktion im Elektrolyseur können ebenfalls Wasserstoff und Kohlenmonoxid entstehen. Je nach Betrieb des Elektrolyseurs entsteht davon mehr oder weniger. Genau diese Optimierung der Reaktion ist Inhalt unseres Projektes. Sollten am Ende noch kleine Nebenproduktmengen übrigbleiben, so können die Phasen (Gas/Flüssigkeit) relativ einfach getrennt werden, so dass wir nur die flüssige Phase der Ameisensäure in den Bioreaktor überführen.

CO2-WIN Connect: Im Bereich der Biotechnologie wollen Sie einen neuen Stoffwechselweg in das Bakterium Cupriavidus necator einbringen, damit es nur Ameisensäure als Kohlenstoff- und Energiequelle nutzt. Können Sie bitte erläutern, wie ein neuer Stoffwechselweg in ein Bakterium eingebracht wird? Und woran erkennen Sie, ob ein spezifischer Stoffwechselweg erfolgsversprechend ist?

Dr. Kensy: Die Einbringung von Stoffwechselwegen in Mikroorganismen ist kein einfaches Unterfangen, weil man den Organismus auch komplett lahmlegen kann. Daher ist es wichtig vor der Aufnahme der Arbeiten, das Stoffwechselnetzwerk von Mikroorganismen zu studieren und dann gezielt die Eingriffe in das Netzwerk zu planen. Unser Stoffwechsel, der reduktive Glycin-Weg, ist ein linearer Stoffwechselweg mit nur begrenzter Interaktion mit dem Zentralstoffwechsel. Wir bringen den Stoffwechselweg in Modulen in die Bakterien ein. Dabei arbeiten wir mit auxothrophen Stämmen, die für die Zielprodukte der Module auxothroph sind. Durch Einbringung der Gene, per Plasmid oder Genome-integriert, bringen wir die Bakterien wieder dazu, die Auxothropie zu überwinden und wissen gleichzeitig, dass unsere Module erfolgreich eingebracht wurden. Das Spiel treiben wir soweit, bis alle Module des Stoffwechselweg integriert sind. Am Ende kann man die Verwertung der Substrate über eine C13-Markierung und deren Einbau in die zellulären Zwischen-/Endprodukte überprüfen. Die Auswahl eines erfolgversprechenden Stoffwechselwegs erfolgt über Stoffwechselmodelle und deren stofflichen- und energetischen Bilanzierung. Dies wurde im Vorfeld des Projektes bereits für den reduktiven Glycin-Weg aufgezeigt.

CO2-WIN Connect: Was ist der Vorteil an der Nutzung von Bakterien zur Umsetzung der Ameisensäure im Vergleich zur Reaktion über, beispielsweise, metallischen Katalysatoren?

Dr. Kensy: Der Vorteil der Biotechnologie bei der Synthese von Molekülen ist, dass innerhalb einer bakteriellen Zelle tausende Reaktionen parallel ablaufen und man mehrstufige Synthesen in einer Zelle und damit einem Reaktor ausführen kann. Zudem synthetisiert sich die Zelle Ihre Biokatalysatoren selbst aus einer einfachen Nährstofflösung heraus. Mit der autokatalytischen Vermehrung der Zellen (exponentielles Wachstum) werden gleichzeitig alle Biokatalysatoren mitvermehrt, so dass man am Ende einen hochproduktiven Prozess erhält. Die Chemie hingegen müsste jede Synthese-Stufe einzeln optimieren, den Katalysator extra dafür herstellen und dann eine große Anlage mit vielen Einzelreaktoren errichten. Die Entwicklungen dauern dadurch sehr lange und verlieren über jede einzelne Prozessstufe Energie und Stoffe.

CO2-WIN Connect: Was sehen Sie für Herausforderungen bei der Kopplung des Ameisensäure-Elektrolyseurs mit dem Fermentationssystem?

Dr. Kensy: Die Herausforderungen für die Prozessintegration sind vielfältig. Einerseits müssen die Ameisensäure-Konzentrationen am Ausgang des Elektrolyseurs, den Anforderungen an den Bioprozess genügen. Hier müssen wir noch zu höheren Konzentrationen gelangen und ggf. muss hier noch ein Konzentrierungsschritt zwischengeschaltet werden. Des Weiteren muss die Flussrate der Ameisensäure in den Bioreaktor dem Prozess entsprechend geregelt werden. Hier müssen Schnittstellen für die Kopplung des Elektrolyseurs mit dem Bioreaktor geschaffen werden. Zusätzlich ist es notwendig zusätzliche Nährsalze für die Bakterien in den Ameisensäure-Fluss zu integrieren. Dabei sollten die Nährsalze möglichst hochkonzentriert sei, um den Ameisensäure-Fluss nicht zusätzlich zu verdünnen.

CO2-WIN Connect: Wie gelingt es, den Prozess in den industriellen Maßstab zu überführen? Wie müsste z. B. ein idealer Standort aussehen und welcher Faktor, zum Beispiel die Nähe zu erneuerbaren Energiequellen oder CO2-Quellen, würde Ihrer Meinung die größte Rolle bei der Wahl des Standorts spielen?

Dr. Kensy: Das elegante an dem Prozess ist, dass für unseren Bioprozess keine Spezialbioreaktoren notwendig sind. Wir arbeiten mit konventionellen und industriell-erprobten Mikroorganismen. Im Grunde muss bei einer etablierten Fermentationsanlage nur der Zucker-Zufluss mit einem Ameisensäure-Zufluss getauscht werden. Das macht das Scale-up und die Implementierung sehr einfach und reduziert das Risiko. Die Etablierung des Prozesses an einem Chemiewerk würde Sinn ergeben, da dort bereits CO2-Punktquellen vorhanden sind, die man in unserem Prozess nutzen könnte. Natürlich ist es ebenfalls notwendig Zugang zu erneuerbaren Energien zu haben. Die müssen aber nicht direkt vor Ort am Chemiewerk erzeugt werden, sondern könnten über Stromleitungen eingespeist werden. Daher ist der Ausbau der Stromtrassen in Deutschland sehr entscheidend. Attraktiv erscheint ggf. auch die Anknüpfung an eine Müllverbrennungsanlage, da diese CO2 und Energie kontinuierlich bereitstellen könnte.

CO2-WIN Connect: Herr Dr. Kensy, vielen Dank für das Gespräch.

 

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