Herr Algermissen (FEhS-Institut für Baustoff-Forschung e. V.) über NuKoS

 

Neue Anwendungen von Eisenhüttenschlacken durch CO2

David Algermissen (FEhS-Institut für Baustoff-Forschung e. V.)

CO2-WIN Connect: Herr Algermissen, in Deutschland fallen in der Eisen- und Stahlindustrie prozessbedingt jährlich etwa 14 Millionen Tonnen Eisenhüttenschlacken an. Aktuell werden bereits 95% der anfallenden Schlacken wiederverwendet, beispielsweise in der Zementindustrie. Wie kommen Sie dabei mit dem Projekt „NuKoS“ ins Spiel und was ist das Ziel des Projekts?

Herr Algermissen: In "NuKoS" zielen wir, zum einen, darauf ab die verbleibenden 5% der erzeugten Schlacken noch werthaltig zu nutzen, aber, auch gleichzeitig, uns bereits auf die Körnungen zu fokussieren, deren Anwendung immer schwieriger wird, da feinkörnige Produkte, beispielsweise im Verkehrswegebau, wenig gefragt sind. Aus diesem Materialstrom zusammen mit CO2 aus Abgasen der Stahl- oder Zementindustrie ein neues Produkt zu erzeugen ist die Zielsetzung von "NuKoS".

CO2-WIN Connect: Die ersten Tests der neuen Prozesse finden in einem gasdicht verschließbaren Druckbehälter statt. Können Sie uns erklären, wie die Versuche durchgeführt werden, welche Versuchsbedingungen (Temperatur, Druck, Gaszusammensetzung) für die Carbonatisierung nötig sind und welche Besonderheiten im Rahmen der Carbonatisierung beachtet werden müssen?

Herr AlgermissenFür die Carbonatisierung, also die zementfreie Bindung, wurden bisher zahlreiche Versuche durchgeführt mit unterschiedlichen Versuchsbedingungen. Dabei wurden maßgeblich Temperatur, Druck und die Carbonatisierungszeit variiert. Es konnte gezeigt werden, dass Temperaturen von über 50 °C nicht notwendig sind, was wiederum Energie einspart. Die Carbonatisierungsdauer liegt dabei bei maximal 24 Stunden, da höhere Zeiten keinen weiteren Benefit bringen. So wird versucht bereits den kleintechnischen Versuch energetisch zu optimieren und möglichst große Mengen an Schlacken zu nutzen.

CO2-WIN Connect: Nach den Versuchen im Labormaßstab wollen Sie die Ergebnisse in den vorindustriellen Demonstrationsmaßstab transferieren. Um welche Größenordnung handelt es sich hierbei und welche Hindernisse sind beim Übergang in den Demonstrationsmaßstab zu beachten? Können Sie dabei auf bestehende Anlagentypen zurückgreifen oder müssen Sie die Demonstrationsanlagen für Ihre Zwecke spezifisch umrüsten?

Herr AlgermissenDie Versuche zur Carbonatisierung fanden bisher in Kleinversuchen im 2 Liter Maßstab statt. Für März sind dann die ersten Großversuche geplant, um mit den zuvor eruierten Parametern auch größere Materialmengen zu erzeugen und wichtige Erkenntnisse zu bekommen. Durch das sehr praxisorientierte Konsortium können sowohl die Kleinversuche als auch die Großversuche durch die Partner vollumfänglich abgedeckt werden. Dies war uns auch wichtig, nicht nur forschungsseitig stark aufgestellt zu sein, sondern auch die Prozesskette vom Erzeuger bis zum Anwender abdecken zu können.

Für die weiteren Prozesswege sind nun auch Versuche im größeren Maßstab geplant. Beispielsweise beim Aufschäumen von LD-Schlacke wird derzeit das Up-Scaling vom Labortiegel-Maßstab auf einen betrieblichen Schlackenkübel vorbereitet, welcher üblicherweise bis zu 25 t Material aufnimmt.

CO2-WIN Connect: Der Transfer in den Demonstrationsmaßstab findet mit Industriepartnern statt. Haben Sie bereits einen speziellen Standort für die Demonstrationsanlagen im Blick und was muss ein geeigneter Standort mitbringen, auch im Hinblick auf den industriellen Maßstab?

Herr AlgermissenWie zu Beginn beschrieben gibt es derzeit verschiedene Wege und Produkte sowie unterschiedliche Konzepte, wo eine entsprechende Anlage stehen kann. Sobald die Ergebnisse aus den Großversuchen vorliegen und mit der ökonomischen und ökologischen Betrachtung begonnen wird, werden im Detail die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Standortmöglichkeit geprüft und bewertet.

CO2-WIN Connect: Wenn Sie an den potenziellen industriellen Einsatz Ihrer neuen Prozesse denken, wo sehen Sie die Standorte dieser Anlagen? Zentral an den Eisen- und Stahlwerken oder dezentral? Und falls es sich um dezentrale Anlagen handeln soll, woher stammt das Kohlenstoffdioxid-haltige Gas zur Carbonatisierung und wie würden Sie es transportieren und lagern?

Herr AlgermissenWir sehen die Einsatzorte schon eher beim Erzeuger bzw. Anwender. Der Vorteil in der Nähe eines Stahlwerks ist, dass die beiden notwendigen Produkte, Schlacke und CO2, direkt zur Verfügung stehen und große Transportwege der Produkte vermieden werden können. Es müssen dann nur die Produkte zum Anwender gebracht werden. Aber ebenfalls der Standort in Nähe eines Zementwerks bietet viele Vorteile. Hier müsste zwar zunächst die Schlacke hin transportiert werden, jedoch könnte das CO2 aus dem Zementwerk direkt genutzt werden und das fertige Produkt wäre beispielsweise dann direkt am Ort der Weiterverarbeitung, sodass hier der Transport gespart werden kann. Eben aus den genannten Gründen der notwendigen Nähe zum CO2 wird derzeit eine dezentrale Lösung nicht präferiert.

CO2-WIN Connect: In Stahlwerken wird ein Umstieg von der Hochofenroute auf die Direktreduktion mittels Synthesegas/Wasserstoff prognostiziert, um anfallende Emissionen zu reduzieren. Dadurch wird erwartet, dass die Menge an Schlacken, die in den Stahlwerken anfällt, sinken wird. Besteht in diesem Fall noch Bedarf für weitere Verwertungsmöglichkeiten der Schlacken zusätzlich zu den aktuellen Anwendungsfeldern?

Herr AlgermissenUnbedingt, wenn nicht sogar gerade deshalb! Die heute erzeugte Hochofenschlacke findet zu 100% Anwendung, maßgeblich in der Zementindustrie, aber auch kleinere Mengen im Straßen- und Wegebau. Aus diesem Grund haben wir uns in "NuKoS" auch nicht auf diese Schlacke fokussiert, da hier kein Bedarf für eine weitere Anwendung besteht.

Hingegen werden Schlacken aus den weiterverarbeitenden Prozessstufen, wie der Sekundärmetallurgie, aber auch aus der schrottbasierten Elektrostahlroute, weiterhin erzeugt werden mit denselben Herausforderungen wie heute. Dazu kommt noch, dass für die "zukünftigen Schlacken" noch keine direkte Anwendung existiert, da viele Eigenschaften noch weitgehend unbekannt sind. Hier könnte "NuKoS" direkt eine weitere Anwendungsmöglichkeit bieten, wenn diese Schlacken in die definierten Parametergrenzen passen.

CO2-WIN Connect: Wenn Sie spekulieren müssten, wann schätzen Sie könnte einer Ihrer Prozesse den industriellen Maßstab erreichen? Was muss noch erreicht werden, um zu einem industriellen Maßstab zu gelangen und wie sieht der Zeithorizont dafür aus?

Herr AlgermissenDie verschiedenen Anwendungswege, die in "NuKoS" untersucht werden, sind bewusst sehr unterschiedlich gewählt, um immer einen Plan B zu haben. Dabei sind die Wege auch sehr unterschiedlich in ihrem zeitlichen Horizont. Die Substitution mit Schlacken verschiedener Materialien bei der Kalk-Sandstein-Herstellung ist vom TRL derzeit sicher am höchsten, sodass eine Umsetzung innerhalb von 5 Jahren nach Projektende als realistisch betrachtet werden kann. Bei den anderen Wegen wird es sehr auch von den weiteren Rahmenbedingungen abhängen sowie an den noch ausstehenden Ergebnissen. Schließlich haben wir noch 1 Jahr Zeit im Projekt.

CO2-WIN Connect: Herr Algermissen, dann sind wir gespannt auf die ausstehenden Ergebnisse und vielen Dank für das Interview!

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