Dr. Doreen Kaiser und Prof. Dr. Martin Bertau (TU Bergakademie Freiberg) über LiPriSek

 

Carbonatisierung von lithiumhaltigen Primär- und Sekundärrohstoffen mittels CO2

Prof. Dr. Martin Bertau, Dr. Doreen Kaiser (TU Bergakademie Freiberg)

CO2-WIN Connect: Frau Dr. Kaiser, Herr Prof. Bertau, Carbonatisierung mit CO2 und Elektromobilität – wie bringen Sie das in Ihrem Projekt zusammen?

Dr. Kaiser: Im Projekt CO2-LiPriSek wird Lithium durch eine Carbonatisierung lithiumhaltiger Rohstoffe gewonnen. Als Aufschlussmittel dient CO2, mit dem das enthaltene Lithium selektiv mobilisiert wird. Zu den potentiellen Rohstoffen gehören Lithiumerze und Schwarzmassen aus verbrauchten Lithiumionen-Batterien (LIBs). Das durch direkte Carbonatisierung mit CO2 mobilisierte Lithium wird dann ohne Zusatz weiterer Chemikalien aus der Aufschlusslösung als Lithiumcarbonat gefällt. Dieses Rohprodukt hat ohne zusätzlichen Reinigungsschritt bereits Batteriequalität (Reinheit > 99,5 %) und kann somit direkt zur Herstellung neuer LIBs genutzt werden, ohne dass eine anschließende Raffination nötig wäre. Somit werden nachhaltig Stoffkreisläufe geschlossen und ein CO2-neutrales Batterierecycling gewährleistet. Der äußerst geringe CO2-Footprint belegt, dass der COOL-Prozess genau das ist, was wir zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben brauchen.

CO2-WIN Connect: Was ist das Besondere an der Herangehensweise in CO2-LiPriSek?

Prof. Bertau: Das Besondere im Projekt CO2-LiPriSek ist die vollständige Verwertung aller Inhaltsstoffe. Bei uns gibt es keine Abfallstoffe mehr, nur noch Rohstoffe. Der Lithiumgehalt in den in Frage kommenden Erze ist mit ca. 3 % sehr gering. Der Hauptanteil ist silikatisches Begleitmaterial, was bei herkömmlichen Prozessen lediglich deponiert wird. In unserem Vorhaben werden aus diesen Rückstände Geopolymere hergestellt. Das sind vielversprechende CO2-freie Bindemittel. Sie haben oftmals sogar noch bessere Eigenschaften als klassischer Zement. Und sie sind vollständig recyclingfähig. Im Falle der Batterierückstände werden neben Lithium auch die Begleitmetalle (z. B. Co, Ni, Mn) extrahiert und in vermarktungsfähige Produkte überführt. Auf diese Weise wird eine ganzheitliche Verwertung der Rohstoffe gewährleistet. Alle Verfahrensschritte können mit regenerativem Strom betrieben werden, wodurch CO2-Emissionen vermieden werden. Das bei Verbrennungsschritten freiwerdende CO2 ist der Rohstoff für die Carbonatisierung, sodass das Verfahren vollkommen CO2-neutral ist. Um es kurz zu fassen, die Zeit der Ausreden ist vorbei. Zero-Waste und Low-Carbon-Footprint unter ökonomischen Bedingungen lassen sich bereits heute wirtschaftlich darstellen. Wir brauchen keine Debatte, ob das funktioniert, wir benötigen eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, wie wir mehr solcher Prozesse in die Anwendung bringen.

CO2-WIN Connect: Wie sieht es mit der Reinheit und Nutzbarkeit des Lithiums aus? Kann dies voraussichtlich in der Batterieproduktion von allen Nutzungen (z. B. Energiespeicher im Haus, Kraftfahrzeug, Handy…) verwendet werden, oder gibt es dabei Limitierungen?

Dr. Kaiser: Wie bereits erwähnt, wird das Lithium in Form von Lithiumcarbonat isoliert. Unabhängig vom Edukt, weist bereits das Rohprodukt eine Reinheit von > 99,5 % auf und kann somit direkt für die Herstellung neuer Batterien genutzt werden, ohne dass eine energieaufwendige Raffination erforderlich wäre.

CO2-WIN Connect: Die Nutzung von alternativen Quellen für die Gewinnung von Lithium wird für Europa in der Verkehrswende eine entscheidende Rolle spielen. Wie schätzen Sie das Potenzial ihrer Technologie im Vergleich zur zukünftigen Nachfrage von Lithium in Europa bzw. in Deutschland ein?

Prof. Bertau: Der große Vorteil unserer Technologie ist, dass auf vergleichsweise einfache Art und Weise unterschiedliche lithiumhaltige Rohstoffe zu einem vermarktungsfähigen Produkt verarbeitet werden. Die dafür notwenigen Reaktoren sind Stand der Technik, was eine schnelle industrielle Umsetzung ermöglicht. Da die Nutzung verschiedener lithiumhaltiger Rohstoffe möglich ist, ist das Verfahren sehr flexibel und kann schnell an neue Herausforderungen angepasst werden. Die Entwicklung der LIBs ist noch lange nicht abgeschlossen, sodass eine Vielzahl unterschiedlicher Batterietypen auf dem Markt existieren. Nur ein flexibles Verfahren kann hier der Schlüssel zum Erfolg sein. Wir arbeiten herkunftsunabhängig, d.h. es ist egal, aus welcher Quelle das Lithium stammt. Wichtig ist die gemeinsame Verarbeitung in einem einzigen Prozessstrang. Damit erhalten wir automatisch Primärproduktqualität. Das ist echtes Recycling im Wortsinn.

CO2-WIN Connect: Wie Sie sagten, entwickeln Sie neben Lithium Sie außerdem Geopolymere. Wo und wie kommen diese zum Einsatz, und warum sind sie ein interessantes Zielprodukt für CO2-LiPriSek?

Dr. Kaiser: Geopolymere sind CO2-freie Bindemittel, d. h. ihre Herstellung bedarf formal keiner Hochtemperaturaktivierung wie bei Zement. Sie können in den verschiedensten Bereichen als Baustoff eingesetzt werden. Zum einen besteht die Möglichkeit herkömmliche Zemente für den Bau von Häusern und Straßen zu ersetzen, zum anderen können in die Geopolymere auch Schwermetalle eingebunden werden, um sie langfristig zu immobilisieren. Eine Substitution von herkömmlichem Zement ist ein Schlüsselschritt zur Klimaneutralität, da die Zementindustrie einer der größten CO2-Emittenten ist. Des Weiteren entfällt die Deponierung von Rückständen. Das COOL-Verfahren löst Umweltprobleme, indem es verkaufsfähige Produkte erzeugt, keine Abfallstoffe. Wir invertieren eine umweltrelevante Kostensituation in eine umweltfreundliche Ertragssituation.

CO2-WIN Connect: Wie kommt es zu den zwei sehr unterschiedlichen Produkten, und was bedeutet das für die Auswahl der Projektpartner oder die spätere Markteinführung?

Prof. Bertau: Die Produkte haben nur auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun. Um so wichtiger ist es, dass Sie die Frage auf dieses wichtige Thema lenken. Bisher war es üblich, nur auf das Zielprodukt zu schauen, für den Rest fand sich dann schon eine Lösung, und sei es die Deponierung. Aber die Zeiten sind vorbei. Noch denken erschreckend viele in diesem althergebrachten Denkmuster. Aber wir müssen Probleme lösen. Unsere Aufgabe ist es, die Welt angesichts nie gesehener Bevölkerungszahlen, angesichts nie gesehener CO2-Emissionen und Rohstoffverbräuche zukunftsfest zu machen. Da ist eine ganzheitliche Herangehensweise ein unglaublich einfacher und eleganter Weg. Und wenn man ihn richtig ausgestaltet, ist er sogar ein ökonomisches Erfolgsmodell. Deshalb gewinnen wir nicht nur das Lithium, sondern wir produzieren aus dem Rest ein Bindemittel, das den CO2-intensiven Zement ersetzt. Solche Geopolymere wurden bereits weltweit mit Erfolg erprobt.

CO2-WIN Connect: Haben Sie schon eine Vorstellung vom Emissionsreduktionspotential der beiden Produkte? Was für ein Speicherpotenzial von CO2 ist ber der Karbonatisierung von lithiumhaltigen Primär- und Sekundärrohstoffen zu erwarten?

Dr. Kaiser: Zum jetzigen Stand des Projektes kann noch keine abschließende Bewertung getroffen werden. Erste Berechnungen zeigten, dass wir beim Lithium mehr oder weniger CO2-neutral sind. Für die Produktion von Geopolymeren zeichnet sich bereits jetzt eine Einsparung von ~80 % im Vergleich zu herkömmlichem Zement ab. Aber wir haben noch ein paar Ideen.

CO2-WIN Connect: Wann rechnen Sie damit, dass Ihr Produkt mit dazu beitragen kann, die Elektromobilität in Deutschland zu fördern?

Prof. Bertau: Wann wollen Sie loslegen? Wir sind startbereit.

CO2-WIN Connect: Frau Dr. Kaiser, Herr Prof. Bertau, gerne sofort! Vielen Dank für das Gespräch.

 

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