Dr. Dirk Schmitt (Head of Department Cement der HeidelbergCement AG) über C2inCO2

 

Calcium Carbonatisierung zur industriellen Nutzung von CO2

Dr. Dirk Schmitt, HeidelbergtCement AG, HoD Cement

CO2-WIN Connect: Herr Dr. Schmitt, Sie wollen CO2 für die Produktion von Baumaterialen nutzen. Was genau kann man sich darunter vorstellen und wie kamen Sie auf die Idee?

Dr. Schmitt: Der Grundgedanke besteht darin die Karbonatisierungsreaktion, welcher Betone in ihrem Lebenszyklus natürlicherweise ausgesetzt sind, nun gezielt auszunutzen um CO2 wieder fest als Kalziumkarbonat in rezyklierte Betonbestandteile einzubinden. Hierbei kommt dem ausgehärtetem Zementstein, welcher neben Sand und Kies zentraler Bestandteil des Betons ist, die entscheidende Rolle zu. Das in diesem „RCP“ (Recycled Concrete Paste) vorhandene Kalzium ist nämlich in der Lage wieder CO2 zu binden. Grundvoraussetzung hierfür ist aber eine saubere Trennung dieser Betonbestandteile um das RCP möglichst quantitativ und rein als auch pulverförmig mit hoher Oberfläche vorliegen zu haben. Unter diesen Voraussetzungen können Kalzium und CO2 wieder eine stabile, dauerhafte Verbindung eingehen. Dieses „carbonated“ cRCP kann dann als Zementbestandteil wiederverwendet werden.

CO2-WIN Connect: Wie sind Sie bei der Suche nach geeigneten Projektpartner vorgegangen? Welche Expertise wird gebraucht, um die Ziele des Projekts zu erreichen?

Dr. Schmitt: HeidelbergCement als ein führender, globaler Baustoffhersteller unterhält ein weitreichendes Netzwerk sowohl mit industriellen Partnern als auch mit Forschungsinstituten und Hochschulen unterschiedlichster fachlicher Ausrichtungen und Kompetenzen. Für C2inCO2 liegen die beiden wesentlichen Herausforderungen im Bereich der Materialseparierung, also der phasenreinen Auftrennung der Betonbestanteile mit Fokus auf RCP, sowie im Bereich der Karbonatisierung von RCP und dessen Einsatz als Zementhauptbestandteil inkl. der daraus resultierenden Bindemitteleigenschaften, von zentraler Bedeutung. Hier kooperieren wir mit den auf diesen Gebieten führenden deutschen Technologieunternehmen sowie Universitäten und Forschungseinrichtungen.

CO2-WIN Connect: Worin besteht die Innovation genau?

Dr. Schmitt: Die Hauptaufgabe und Innovation besteht zum einen in der Entwicklung einer Prozesstechnologie zur quantitativen Auftrennung der rezyklierten Betonbestandteile mit Fokus auf RCP sowie der Entwicklung einer damit verbundenen Prozesstechnologie zur Karbonatisierung dieses Materials. Darüber hinaus sind die Eigenschaften damit hergestellter Zemente, und im Endeffekt der daraus resultierenden Betone, weitestgehend Neuland.

CO2-WIN Connect: Welche Rolle kann der Prozess in der Zementbranche zukünftig spielen? Welchen Beitrag wird C2inCO2 zu Konzepten wie der Kreislaufwirtschaft und low carbon economy bis 2030 leisten?

Dr. Schmitt: Der Prozess der gezielten Aufbereitung von rezyklierten Betonbestandteilen, deren Rekarbonatisierung und deren Wiederverwendung im Baustoff wird in der Zukunft von großer Bedeutung sein, v.a. vor dem Hintergrund der zunehmenden Verknappung traditioneller Zementzumahlstoffe wie Hüttensand und Flugasche. Durch das hohe Potential CO2 stabil zu binden kommt dem RCP jedoch eine besondere Rolle innerhalb der low carbon economy bzw. Roadmap 2030 zu. Allein die in Deutschland zu erwartenden Mengen an rezykliertem Beton und deren Gehalten an CO2-aufnahmefähigem RCP würden eine signifikante CO2-Senke darstellen und CO2-Kreisläufe schließen.

CO2-WIN Connect: Sehen Sie externe Einflüsse voraus, welche hinderlich oder förderlich für eine erfolgreiche Marktdurchdringung sein könnten?

Dr. Schmitt: Eine Herausforderung stellt sicherlich die gerade in Deutschland sehr konservative Haltung der Baubranche zu neuartigen Technologien dar, welche ein Umdenken in „eingefahrenen“ Prozess- und Produktionsabläufen erfordert. Zemente mit cRCP sowie hiermit hergestellte Betone erfordern Anpassungen in der Verarbeitung, z. B. im Hinblick auf Frischbetoneigenschaften oder in der Nachbehandlung. Darüber hinaus stellt die Einbindung dieser neuen Bindemittel in bestehende oder neue Normen auf nationaler oder europäischer Ebene eine v. a. zeitliche Herausforderung dar. Die neuartigen Technologien zur Separierung und Karbonatisierung erfordern naturgemäß auch hohe Investitionen in die deutschen Werksstandorte, einhergehend mit steigenden Kosten für solche neuartigen, ressourcen- und umweltschonenden Produkte.

Ein steigendes Umweltbewusstsein in Deutschland mag mit der Zeit auch zu einer Akzeptanz im Markt führen, gekoppelt mit der Bereitschaft die hohen Investitionskosten der Unternehmen durch höhere Produktpreise zu akzeptieren, was in anderen europäischen Vorreiterländern wie z. B. in den Niederlanden oder Skandinavien bereits der Fall ist. Entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung der Technologie ist die schnelle Schaffung notwendiger Rahmenbedingungen. Marktbedingungen müssen politisch angepasst werden, um existierende Stoffströme umzuleiten und nachhaltigen Zugang zu Betonabbruch zu ermöglichen. Dies bedeutet unter anderem eine Vermeidung von „Downcycling“ des Materials oder gar der finalen Entsorgung in Deponien. So werden ca. 80-90 % der anfallenden Bau- und Abrissabfälle in Deutschland wiederverwertet, doch geschieht das fast ausschließlich als so genanntes „Downcycling“. Abbruchmaterial wird lediglich als geringwertiges Material im Straßenbau, Erdbau oder zur Verfüllung eingesetzt. Der Bauschutt gelangt somit überwiegend in minderwertiger Funktion in den Stoffkreislauf zurück. Ziel sollte jedoch ein hochwertiges Recycling in einem möglichst großen Maßstab sein. Daher ist eine Verpflichtung zum sorgfältigen Rückbau unabdingbar.

Zudem kann gerade die öffentliche Hand dazu beitragen veraltete Regularien und Normen zu aktualisieren und zu harmonisieren. Bestehende Vorschriften vernachlässigen die technische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte und berücksichtigen nicht Fortschritte in z. B. der Aufbereitungstechnik oder Betonzusatzmitteltechnologie. Außerdem könnte sie, als größter Auftraggeber der Bauwirtschaft, bei Ausschreibungen den Einsatz von Recycling-Rohstoffen im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetz fördern. Um stetige Marktnachfrage und Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen sollten Anreize zur Nutzung von Recyclingbaustoffen für Kunden geschaffen werden. Zu guter Letzt muss die CO2-Abscheidung und Nutzung durch die Schaffung von CO2-Transportinfrastrukturen und Anreizsystemen skaliert und wettbewerbsfähig gemacht werden.

CO2-WIN Connect: Wie sieht Ihre Version der Zement-Branche in einer Carbon-Net-Zero-Welt aus?

Dr. Schmitt: In unserer Branche wollen wir Vorreiter auf dem Weg zur CO2-Neutralität sein. Als energieintensives Unternehmen wollen wir unseren Beitrag zum erklärten Ziel des Pariser Klimaabkommens leisten, den weltweiten Temperaturanstieg deutlich unter 2 °C zu halten.

Wir sind überzeugt, dass Beton über den gesamten Lebenszyklus von der Herstellung bis zum Recycling das Potenzial hat, das nachhaltigste und vielseitigste Bauprodukt zu werden. Ein wesentlicher Teil unserer Investitionen und Forschungsaktivitäten in den kommenden Jahren wird darauf ausgerichtet sein, dieses Ziel zu erreichen.

Wir können bereits auf eine beachtliche Erfolgsbilanz bei der Reduzierung der CO2-Emissionen zurückblicken und intensivieren unsere Bemühungen stetig. Wir haben unser für 2030 angestrebtes Ziel von 30 % auf 2025 vorverlegt. Für 2030 haben wir uns ein neues, ambitioniertes Ziel von weniger als 500 kg CO2 pro Tonne zementartigem Material bzw. Einer Reduktion von weiteren 19 % im Vergleich zu 2019 gesetzt – all dies wird durch einen klaren Aktionsplan untermauert (Factsheet CO2-Strategie HeidelbergCement). Bis 2020 haben wir bereits eine Minderung unserer spezifischen Netto-CO2-Emissionen pro Tonne zementartigem Material um 23 % im Vergleich zu 1990 erreicht.

Unsere CO2-Reduktionsstrategie für die nächsten zehn Jahre basiert auf konkreten Maßnahmen auf Werks- und Produktebene, deren Umsetzung bereits in vollem Gange ist. Um den Zielen noch mehr Nachdruck zu verleihen, verankert das Unternehmen seine CO2-Reduktionsziele konsequent in den weltweiten Vergütungssystemen. Unsere wichtigsten Maßnahmen zur Emissionsminderung für die nächsten zehn Jahre sind:

- Vermehrter Einsatz alternativer Roh- und Brennstoffe

 - Substitution des CO2-intensiven Klinkers im Zement durch zementähnliche Sekundärstoffe mit deutlich  geringerer CO2-Bilanz

- Umfangreiche Investitionen in Anlageneffizienz und CO2-Reduktion auf Werksebene

- Erhöhung des Anteils nachhaltiger und CO2-armer Betonprodukte

Zur Erreichung unseres Langfristziels, bis spätestens 2050 über unser gesamtes Produktportfolio hinweg CO2-neutralen Beton anzubieten, setzen wir neben oben genannten Maßnahmen auf CO2-Nutzung und Kreislaufwirtschaft – vor allem auf den verstärkten Einsatz von Ersatzbrennstoffen und alternativen zement-ähnlichen Sekundärstoffen (inkl. Recyclingmaterialien) sowie die Abscheidung und Nutzung oder zeitlich begrenzte Lagerung von CO2 (Carbon Capture & Usage/Storage, kurz CCU/S).

Durch Investitionen in verschiedene Carbon-Capture-Technologien wollen wir CO2 in seiner reinsten Form abscheiden, um es entweder zu verwerten oder sicher zu lagern, bis es in großen Mengen eingesetzt werden kann.

Zement- und Betonunternehmen können zudem die Kreislaufwirtschaft durch Ressourceneffizienz, Mitverarbeitung von Abfallstoffen und Betonrecycling, einschließlich seiner technischen Karbonatisierung, unterstützen. Wir untersuchen eine Vielzahl von Mineralien hinsichtlich ihres Aufnahmepotenzials von CO2 und die Möglichkeit, daraus marktfähige Baustoffe herzustellen. Dazu gehören natürliche Mineralien, aber auch industrielle Abfallprodukte wie Hüttensand oder Zementfeinanteile aus recyceltem Beton. Das C2inCO2-Projekt ist ein Eckpfeiler für diese wichtige Maßnahme.

CO2-WIN Connect: Herr Dr. Schmitt, vielen Dank für das Gespräch.

 

Sie möchten noch mehr über das BMBF-geförderte Projekt C2inCO2 erfahren?

Hier gelangen Sie zur Projektvorstellung

 

 

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